Wo stehen wir heute in Bielefeld?
Ende der 1980er Jahre verzeichnete das Verkehrsunternehmen der Stadtwerke Bielefeld mit jährlich etwa 24 Mio. Fahrgästen einen absoluten Tiefpunkt bei den Beförderungsleistungen. Seit diesem Zeitpunkt wurde eine aktive Angebotspolitik verfolgt, die schrittweise zu dem heutigen für die Größe der Stadt sehr attraktiven Nahverkehrsnetz geführt hat.
Die Initialzündung hierfür war die bevorstehende Inbetriebnahme des Stadtbahntunnels im April 1991. Die Stadtbahn bekam insbesondere durch die ansprechenden unterirdischen Stationen einen modernen Anstrich und rückte damit sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik stark ins Blickfeld. Nicht nur die kürzeren Fahrzeiten, sondern insbesondere die Wiedereinführung des 10-Minuten-Grundtaktes bei der Stadtbahn, die stringente Vertaktung der meisten Buslinien, der barrierefreie Ausbau, die Beschleunigungsmaßnahmen, die Erweiterung des Stadtbahnnetzes, die Schaffung eines attraktiven Tarifsystem und nicht zuletzt die massive marketingmäßige Begleitung all dieser Maßnahmen machten nicht nur das Stadtbahnsystem, sondern den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Bielefeld zu einem Erfolgsmodell und letztlich auch das Verkehrsunternehmen moBiel zu einem Imageträger der Stadt.
Ergänzend dazu gab es innerhalb der letzten 30 Jahre auch erhebliche Angebotsverbesserungen im regionalen Eisenbahnverkehr sowie Verbesserungen im Tarifsystem wie die Einführung von Zeitkartenabos in unterschiedlichen Facetten und des Semesterticket für Studierende. Im Jahr 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie konnte das nun innerhalb des Stadtwerkekonzerns agierende eigenständige Unternehmen moBiel mit jährlich mehr als 60 Mio. Fahrgästen aufwarten, und das bei einem gleichzeitig deutlich verbesserten betriebswirtschaftlichen Ergebnis.
Einen herben Rückschlag gab es dann infolge der Corona-Pandemie. Im Jahr 2020 sanken die Fahrgastzahlen auf einen Tiefstand von 33,6 Mio. Fahrgästen. Mittlerweile nimmt die Nachfrage wieder kontinuierlich zu, so dass im Jahr 2023 wieder ca. xxx Mio. Fahrgäste verzeichnet werden konnten. Durch die strukturellen Veränderungen in der Arbeitswelt infolge der Pandemie bei gleichzeitig fortschreitendem demografischem Wandel wurde der allgemeine Mangel an Fachkräften insbesondere auch im Bereich des Fahrpersonals besonders deutlich. In Kombination mit ausgeprägten Krankheitswellen war moBiel deshalb mehrfach zu zeitweiligen „Notfahrplänen“ mit einem eingeschränkten Fahrtenangebot gezwungen.
Leider konnten die Fahrgastzahlen aus der Zeit vor der Corona-Pandemie trotz einer gewissen Erholung noch nicht wieder erreicht werden. Aber auch schon in der Zeit vor 2019 zeigte sich eine Abflachung der Nachfragekurve. Die Anzahl der jährlich beförderten Personen schien sich auf dem Niveau von 60 Mio. einzupendeln mit der Tendenz zu einer leichten Rückläufigkeit.
Neben der Höhe der Fahrgastzahlen ist ein wichtiger Gradmesser für die Qualität und das Image des ÖPNV beispielsweise das sogenannte Kundenbarometer, das bezogen auf verschiedene Qualitätskriterien eine Anzahl von Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünden vergleichend gegenüberstellt. Konnte Bielefeld vor einigen Jahren noch Spitzenplätze belegen, ist es derzeit im Mittelfeld zu finden. Ein weiteres wichtiges Indiz ist der sogenannte „modal split“, der die Anteile verschiedener Verkehrsmittel am Gesamtverkehrsaufkommen widerspiegelt. Ermittelt wird er auf Basis der zurückgelegten Wege oder - mit Blick auf Umwelteinflüsse wie Lärm, Schadstoffe und Klimagase eigentlich sinnvoller – auf Basis der Personenkilometer.
Ein Blick auf die gesamte Bundesrepublik macht deutlich, dass der Anteil des Umweltverbunds durchgehend ohne wesentliche Veränderungen bei knapp 20% lag. Erst ab 2017 erhöhte er sich leicht auf etwas über 20%, um dann bedingt durch die Corona-Pandemie wieder deutlich auf 18% abzufallen. Auffällig ist die vom Grundsatz her zu begrüßende Zunahme des Fußgänger- und Radverkehrs, die nur leider ausschließlich zu Lasten des öffentlichen Verkehrs geht, während der Anteil des motorisierten Kraftfahrzeugverkehrs noch weiter zunimmt.
Da es sich diese Zahlen auf den Gesamtverkehr in Deutschland beziehen, sind sie sicherlich mit den lokalen Verhältnissen in einer Stadt direkt vergleichbar, allenfalls in der Tendenz. In Bielefeld werden wie auch in anderen Städten regelmäßige Untersuchungen zur Verkehrsmittelwahl durchgeführt. Die letzten Erhebungen wurden in den Jahren 2022 und 2023 durchgeführt. Im Vergleich mit den Ergebnissen aus den Jahren 2010 und 2017 zeigt sich erfreulicherweise, dass aktuell signifikant mehr Wege mit dem Fahrrad und weniger Wege mit dem privaten Kraftfahrzeug zurückgelegt werden. Kaum Veränderungen zeigen sich leider beim Fußgängerverkehr und beim öffentlichen Verkehr. Erstmal sinkt der Anteil des privaten Kraftfahrzeugverkehrs auf unter 50%. Werden allerdings die mittleren Wegelängen berücksichtigt, so beträgt der Anteil des MIV an den Verkehrsleistungen knapp 70%. Dieses macht deutlich, dass der Handlungsdruck noch deutlich höher ist, als er sich in dem auf Wege basierten modal split ausdrückt.
- Kompletter Erhebungsbericht:
Haushaltsbefragung zur Mobilität in Bielefeld 2022 - Kurzfassung 2023