Das Blatt wendet sich

Ab 1950 beginnt in der Bundesrepublik das Wirtschaftswunder. Die PKW-Zahlen steigen rasant an. Der öffentliche Nahverkehr bekommt Konkurrenz. Die Verkehrspolitik konzentriert sich fast ausschließlich auf die Bewältigung des wachsenden Autoverkehrs.

1950, also ein Jahr nach der Gründung der Bundesrepublik (BRD), gibt es in der BRD ca. 580.000 PKWs.

Die Verkehrspolitik ist mehr und mehr auf die Bewältigung des Autoverkehrs fixiert. Investitionen fließen überwiegend in den Straßenbau, der ÖPNV wird vernachlässigt. Streckenstilllegungen bei Eisenbahnen und Straßenbahnen sind an der Tagesordnung. Namhafte Verkehrswissenschaftler unterstützen die einseitige Orientierung auf den Autoverkehr. Großen Einfluss hat z. B. Prof. Karlheinz Schächterle (1921 – 2008), der für viele Städte in seinen Verkehrsgutachten die Vision der autogerechten Stadt konkretisiert. Viele Städte folgen seinen Vorstellungen. Ein besonders krasses Beispiel ist der Umbau in Ludwigshafen, wo u. a. der Hauptbahnhof von der City an den Stadtrand verlegt wird; heute hält dort kein ICE mehr, obwohl Ludwigshafen eine bedeutende Großstadt ist. Auch für Bielefeld legt Prof. Schächterle 1971 ein Verkehrsgutachten vor. Wäre der Stadtrat ihm in allen Punkten gefolgt, wäre die Stadt heute nicht wieder zu erkennen. Die Ravensberger Spinnerei sollte z.B. abgerissen werden; dort sollte ein großes Straßenkreuz entstehen.

Die Entwicklung hat heftige Folgen für den Nahverkehr. Die Fahrgastzahlen brechen dramatisch ein. Allein in den Boom-Jahren von 1957 bis 1962 beklagt die Deutsche Bahn einen Rückgang der Bahnkunden um von 32 % im Nahverkehr.