Es geht Schlag auf Schlag
Spätestens mit Beginn der 90er Jahre beginnt eine Zeit des Umbruchs im ÖPNV, in Deutschland insgesamt, aber auch in Bielefeld.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den ÖPNV werden verändert. Ausgangspunkt ist die sog. Bahnreform. Das entsprechende Gesetz tritt 1994 in Kraft. Die Zuständigkeit für den regionalen Schienenverkehr wird auf die Bundesländer übertragen. Das Land NRW verabschiedet zur Konkretisierung ein Regionalisierungsgesetz. Zur Organisation des regionalen Schienenverkehrs werden Verkehrsverbünde geschaffen. Für die lokalen Bus- und Stadtbahnverkehre sind künftig die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Steuerungsinstrument werden die Nahverkehrspläne, die die Verkehrsverbünde bzw. die Kreise und kreisfreien Städte aufstellen und im 5-Jahres-Rhythmus aktualisieren müssen.
Im September 1995 wird – nach einigen Geburtswehen – der Verkehrsverbund Ostwestfalen-Lippe VVOWL gegründet. Der erste Nahverkehrsplan des VVOWL wird im Mai 1998, der der Stadt Bielefeld am 18. Juni 1998 verabschiedet.
Mit der Bahnreform wird der Weg für einen Wettbewerb im Schienenverkehr geöffnet. Durch die Bahnreform wird festgelegt, dass auch private Eisenbahnunternehmen, gleichberechtigt zu den Zügen der Deutschen Bahn, das Schienennetz nutzen dürfen. Im Dezember 1998 vergibt der VVOWL zum ersten Mal zwei Regionallinien an eine private Eisenbahngesellschaft, nämlich die eurobahn. Im Mai 2000 nimmt die eurobahn den Betrieb auf.
Auch für den übrigen Nahverkehr (Busse und Stadtbahn) wird das Tor für den Wettbewerb geöffnet. Nach Jahren der Unsicherheit ist der rechtliche Rahmen für einen „kontrollierten Wettbewerb“ inzwischen durch eine neue Europäische Richtlinie abgesteckt. Er wird durch Ländergesetze konkretisiert.
Eine segensreiche Auswirkung der Regionalisierung ist die Einführung eines Verbundtarifs im Jahre 2000. Es gilt nun eine Fahrkarte für eine Strecke, unabhängig vom Betreiber. Der Tarif „Der Sechser“ wird im Juni für das Verbundgebiet des VVOWL eingeführt. Die Übergangshemmnisse von einem Verkehrsunternehmen zu einem anderen bzw. vom Bus oder der StadtBahn auf einen Regionalzug werden mit einem Schlag beseitigt.
Ein Meilenstein in der Geschichte des Nahverkehrs ist die Einführung des Semestertickets. 1991 startet die Technische Hochschule Darmstadt einen Modellversuch. Bielefeld folgt 1991/92 mit einer "kleinen" Lösung, zunächst ohne Einbeziehung des regionalen DB-Schienenverkehrs. 1993 folgt dann die Ausweitung auf den Schienenverkehr. Nach Jahren rechtlicher Verunsicherung ist das Semesterticket inzwischen ein unverzichtbarer Eckpfeiler der Mobilität von Studentinnen und Studenten.
In Bielefeld wird 1999 flächendeckend der AST-Verkehr eingeführt.
moBiel und BVO reagieren Ende der 90er auf das geänderte Freizeitverhalten der jungen Generation und führen den Nachtbus ein. Er startet am 29./30. September 1995.
1996 wird ein Projektvorschlag der Initiative Haller Willem von der Expo-2000-Jury als förderungswürdiges Expo-Projekt ausgewählt. Das Projekt verknüpft die Modernisierung der Strecke mit der Siedlungsentwicklung an den Haltepunkten zwischen Bielefeld und Dissen/Bad Rothenfelde. Am 1. Juni 2000 geht der modernisierte Haller Willem wieder in Betrieb. Durch hartnäckiges Nachsetzen der Initiative Haller Willem wird 2004 auch der Streckenabschnitt von Dissen/Bad Rothenfelde bis Osnabrück wieder in Betrieb genommen.
Meilensteine sind auch die Erweiterungen der StadtBahn. In zwei Bauabschnitten wird die StadtBahn-Linie 3 nach Stieghorst verlängert; sie geht am 28. September 1996 in Betrieb. Der Bau der Universitätslinie startet am 12. Juni 1995 mit dem ersten Spatenstich. Am 2. April 2000 geht der erste Bauabschnitt bis zur Universität in Betrieb, am 1. März 2002 der zweite bis zur Endstation Lohmannshof. Die Fahrgastzahlen auf der Universitätslinie übertreffen alle Erwartungen.
Im Jahr 2000 werden die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke als eigenständige GmbH ausgegründet. Die GmbH bleibt aber 100 %-ige Tochter der Stadtwerke. Die Gesellschaft erhält im Jahr 2001 den Markennamen moBiel und wird etwas später zur moBiel GmbH.
In den 80er und 90er Jahren gibt es eine Vielzahl von Verkehrsunternehmen in OWL, die auch in Bielefeld aktiv sind. Für die Entwicklung des Nahverkehrs in OWL ist dies ein Hindernis, da der Interessen- und Finanzausgleich zwischen den Unternehmen schwierig ist. Im Jahr 2000 gelingt trotzdem der Kraftakt, einen Gemeinschaftstarif einzuführen. Die Kooperationsbereitschaft der Verkehrsunternehmen entwickelt sich in der Folge positiv. Im Jahr 2004 schließen sich alle 37 Verkehrsunternehmen in OWL zu einer gemeinsamen Gesellschaft, der OWL Verkehr GmbH, zusammen. Diese Gesellschaft betreut die ca. 120.000 Abo-Kunden, führt die Einnahmeaufteilung durch, pflegt die Fahrplanauskunft und entwickelt den Gemeinschaftstarif weiter. Sie vertritt darüber hinaus die Interessen der Region auf Landesebene.