Bus und Bahn leiden an Auszehrung

Bis in die 80er Jahre hinein erstreckt sich eine Phase der Auszehrung des Nahverkehrs – in der gesamten Bundesrepublik, aber auch in Bielefeld.


Entwicklung der jährlichen Fahrgastzahlen der Verkehrsbetriebe der Stadtwerke Bielefeld (heute moBiel), 1950 bis 1990


1961 haben die Fahrgastzahlen mit 46,1 Mio ein Maximum erreicht. Bis 1990 nehmen sie auf 23,1 Mio. ab.

Fahrgastrückgang – Ausdünnung des Angebots – weiterer Fahrgastrückgang – weitere Ausdünnung des Angebots … das ist der Teufelskreis, dem der Nahverkehr nicht mehr zu entkommen scheint.

Die Deutsche Bundesbahn entwickelt ein großes Stilllegungsprogramm für Regionalstrecken. 1986 wird der Betrieb des „Haller Willem“ zwischen Dissen/Bad Rothenfelde und Osnabrück eingestellt – jeder und jede rechnet mit der kompletten Stilllegung dieser traditionsreichen Strecke.

In Bielefeld wird das Angebot abends und an den Wochenenden immer weiter ausgedünnt. Auf vielen Bus-Linien wird der Spätverkehr ganz eingestellt. Zum Ersatz wird immerhin das Konzept des Anruf-Sammel-Taxis (AST) entwickelt. Die ersten AST-Bedienungsgebiete werden 1986 probeweise eingeführt.



Auch die Straßenbahn bleibt von dem Ausdünnungsprozess nicht verschont. In den 80ern fährt sie in der Hauptverkehrszeit nur noch im 12-Minuten-Takt sowie abends, Sonntag und Feiertag vormittags im 40-Minuten-Takt – für die Fahrgäste eine Zumutung.

Es kommen weitere Probleme hinzu. Sie machen das Bus- und Bahnangebot für die Fahrgäste unübersichtlich und unattraktiv. So wächst durch die Eingemeindung der Kommunen des Kreises Bielefeld auf Grund der Gebietsreform von 1973 die Einwohnerzahl in Bielefeld auf nahezu das Doppelte, die Fläche sogar auf mehr als das Dreifache. Im Busbereich gibt es fortan eine Vielzahl von Betreibern. Neben den Verkehrsbetrieben der Stadtwerke fahren Bahnbusse und Postbusse sowie eine ganze Reihe kleinerer privater Busunternehmen. Es gibt keine Fahrzeugstandards – in manchen Bus kommt man mit einem Kinderwagen gar nicht hinein. Viele Linien fahren nicht regelmäßig. Ein Riesenproblem ist die Vielfalt der Tarife für die einzelnen Busunternehmen bzw. das Fehlen eines Gemeinschaftstarifs – beim Umsteigen von einem Bahnbus in eine Straßenbahn muss man in den 70ern noch einen neuen Fahrschein lösen. Das komplizierte und unflexible System der Vergabe von Linienkonzessionen verhindert überdies, dass das Busangebot neu geordnet und auf die Bedürfnisse der Fahrgäste abgestimmt wird.

Bis zum Ende der 80er fehlte es an einem rechtlichen Rahmen, um diese Probleme zu lösen.

Es ist nicht verwunderlich, dass bis in die 80er Jahre hinein die kommunalen Verkehrsbetriebe in den meisten Großstädten sehr defensiv mit diesen Problemen umgehen. Sie leiden sehr unter dem Image des Defizit-Betriebs, und mit dem Abwandern der Fahrgäste wachsen die Defizite ja weiter an, trotz Einschränkung des Angebots.