Was versteht man unter gutem Nahverkehr? Wie kann man die Qualität des Nahverkehrs messen?
Die Kundenzufriedenheit ist sicher ein wichtiger Indikator. Deshalb sind die guten Werte, die moBiel regelmäßig beim Kundenbarometer erreicht, ein gutes Zeichen. Aber es werden ja nur diejenigen befragt, die bereits Kunden sind – das ist zweifellos eine eingeschränkte Sicht.
In der Verkehrswissenschaft werden vor allem zwei Indikatoren herangezogen:
Beide Kennzahlen haben ihre Tücken. Insbesondere ist ihre Erhebung aufwändig, vor allem beim Modal Split.
Unter dem Modal Split (genauer: klassischer Modal Split) versteht man die Aufteilung des Verkehrsaufkommens auf die verschiedenen Verkehrsmittel, also bei einer Stadt i. d. R. auf die Verkehrsmittel „Füße“, Fahrrad, ÖPNV, motorisierter Individualverkehr (MIV). Das Verkehrsaufkommen wird hierbei in Wegen gemessen, unabhängig von der Länge des Weges. Werden also von 50 Wegen 10 zu Fuß, 6 mit dem Fahrrad, 8 mit Bus oder Bahn und 26 mit dem Auto zurückgelegt, so ist der Modal Split:
20 % (Füße) : 12 % (Fahrrad) : 16 % (ÖPNV) : 52 % (MIV)
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Städten sind extrem. Zürich hat einen ÖPNV-Anteil von 37 %, während Münster nur auf 10 % kommt. Dafür kommt das Fahrrad in Münster auf 32 %, während hier Zürich mit 7 % weit abgeschlagen ist.
Im Entwurf des Gesamtverkehrsentwicklungsplans für Bielefeld aus dem Jahre 1994 wird ein Modal Split von
21 % (Füße) : 10 % (Fahrrad) : 16 % (ÖPNV) : 53 % (MIV)
angegeben. Die Werte dieser Erhebung gelten für die Wohnbevölkerung von Bielefeld. Es sind also die Auspendler, nicht aber die Einpendler, einbezogen. Eine Folgeuntersuchung hat es in Bielefeld (noch) nicht gegeben.
Die Bewertung ist schwierig, weil die Verkehrsmittelwahl von vielen Faktoren beeinflusst wird, z.B. von der Topographie und der Siedlungsstruktur – hier können sich die Städte erheblich unterscheiden. Zweifelsfrei ist Zürich eine Stadt mit einem erstklassigen ÖPNV und Münster eine wirklich fahrradfreundliche Stadt. Der Vergleich der Städte untereinander ist nur bedingt hilfreich, wichtiger ist die zeitliche Entwicklung in einer Stadt.
Der zweite Indikator, die Anzahl der ÖPNV-Fahrten je Person und Jahr, ist deutlich einfacher zu erheben. Aber auch hier gibt es methodische Probleme. So muss die Anzahl der ÖPNV-Fahrten aus Stichproben hochgerechnet werden. Und die Festlegung der Anteile von überregionalen Fahrten, die der untersuchten Stadt zugerechnet werden, ist schwierig. Bei Städten, in denen der ÖPNV durch mehrere Unternehmen angeboten wird, tritt dieses Problem verschärft auf.
In vielen französischen Städten gibt es seit ca. 10 Jahren eine Renaissance der Straßenbahnen. Damit geht ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik einher. Straßen der Innenstadt werden zurückgebaut und der öffentliche Raum begrünt und wieder den Fußgängerinnen und Fußgängern und den Radfahrerinnen und Radfahrern gewidmet. An den Rändern der Städte ermöglichen großzügige Park and Ride Anlagen und kostengünstige Angebote den Umstieg auf das Stadtbahnsystem. In Straßburg fährt jeder Bürger/ jede Bürgerin inzwischen ca. 200 mal pro Jahr mit der Straßenbahn.
Einsamer Spitzenreiter aber ist nach wie vor Zürich. Die Verkehrsbetriebe Zürich geben für 2008 allein für die Trambahnen eine Fahrgastzahl von 202 Mio. an. Bei 372.000 Einwohnern ergibt das ca. 540 Fahrten pro Einwohner und Jahr.
Für Bielefeld ist die entsprechende Zahl nicht leicht zu ermitteln. Mit moBiel fuhren im Jahre 2008 ca. 43 Mio. Personen. Darin sind auch Pendler aus dem Umland mit eingeschlossen. Hinzuzurechnen wären die von den anderen Unternehmen beförderten Personen, von der BVO, dem neuen Busunternehmen go.on sowie weiteren kleineren Busunternehmen. Diese Zahlen sind jedoch nicht bekannt. Allein die von moBiel beförderten Personen ergeben ca. 132 ÖPNV-Fahrten pro Person und Jahr. Zusammen mit den Fahrgästen der anderen Verkehrsunternehmen, wird die Anzahl der ÖPNV-Fahrten pro Person und Jahr noch deutlich unter 180 liegen. Bielefeld hat – im Vergleich zu 1990 – gewaltig aufgeholt. Aber es gibt noch viel Luft nach oben.